Kreisbauerntag in Mühlacker-Enzberg
Wohin dampft die Lok?
In der Bundespolitik dominiere nicht das Fachwissen, bedauert FDP-Fraktionschef Dr. Hans-Ulrich Rülke in seinem Grußwort und verweist auf die Diskussion um Glyphosat. Alternativen wie Kupferphosphonate drohten die Umwelt mehr zu belasten. Das Land habe zum Ausgleich der Frostschäden im vergangenen Jahr einmalig 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das sei jedoch keine Dauerlösung, weshalb das Risikomanagement in den Betrieben an Bedeutung gewinne. Rülke plädiert für die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage und die Ausweitung landwirtschaftlicher Gefahreversicherungen.
Doppelter Flächenentzug nicht vertretbar
Als „nicht vertretbar“ hält der FDP-Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag den doppelten Flächenentzug aus der landwirtschaftlichen Nutzung bei Besiedelungsmaßnahmen und deren naturschutzrechtlichen Ausgleich. Zudem spricht er sich für die Wiedereinführung der kommunalen Regelungen bei Wildschäden und Änderung des Jagdrechts zur Ermöglichung angemessener Maßnahmen gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP) aus.
Ausgleich höherer Standards
Manche grüne Politiker und andere wollten die Direktzahlungen in der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU abschaffen „das lehnen wir ab. Das Zwei-Säulen-System hat sich bewährt“, bezieht Peter Hauk klar Position. Der Minister hält „die landwirtschaftliche Bewirtschaftung an sich“ für einen „deutlichen Mehrwert. Sonst würde die Landschaft zuwachsen. Eindeutig spricht er sich dafür aus, „höhere Standards auszugleichen“. Das sei „zwingend notwendig“.
Land des Ermöglichens
Nachdenklich stimmen ihn die bereits 13 Millionen ha landwirtschaftlicher Nutzfläche im Ausland, auf denen Produkte erzeugt werden, welche in Deutschland konsumiert werden. Umso wichtiger sei es, mit wertvollen Flächen in Deutschland schonend umzugehen. „Beim naturschutzrechtlichen Ausgleich brauchen wir moderne, intelligente Systeme“, betont Hauk und meint „Wir befinden hier uns immer noch auf der Stufe der Tauschwirtschaft“.
Künftig solle das Augenmerk bei Ausgleichsmaßnahmen stärker dem Erhalt und der Pflege der zahlreichen Biotopen gelten. „Für die Offenhaltung der Landschaft brauchen wir Landwirte. Das geht nicht über den Bauhof. Wir müssen wieder das Land des Ermöglichens und nicht des Verhinderns werden. Die Landwirtschaft darf nicht als Sündenbock herhalten“, erhält er kräftigen Applaus.
Kind nicht mit Bade ausschütten
Der Einsatz von Glyphosat sei umweltpolitisch eine der besten Möglichkeiten, Pflanzen zu schützen, stimmt er seinem Landtagskollegen Rülke zu. Die Vorerntebehandlung, die sogenannte Sikkation, sei jedoch nicht notwendig und solle ebenso wie der Einsatz im Hausgarten verboten werden. „Man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“, verweist Hauk auf die Strategie des Landes, die Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel zu verringern (BWagrar 3/2018, Seite 10).
Wetterextreme erfordern Risikovorsorge
Die Zunahme der Wetterextreme durch den Klimawandel erfordert verbesserte Risikovorsorge, erklärt der Minister. Denn Frost-Hilfsprogramme wie für die umfangreichen Frostschäden 2017 über 50 Millionen Euro „kann das Land nicht jedes Jahr machen“, stimmt er erneut Rülke zu. Mancher Zuhörer könnte den Eindruck gewinnen, dem Minister wäre eine Koalition mit der FDP noch lieber gewesen.
Restriktionen im Jagdrecht verringern
Intensiv erläutert Hauk die Gefahr möglicher Wege der Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest (www.bwagrar.de, Webcode 5664097). So haben die Agrarminister Mitte Januar in Berlin beschlossen, die Forschung zu verstärken. Klar spricht sich der Minister dafür aus, die „Restriktionen" im Jagdrecht zum Abschuss der Wildschweine zu verringern. Zumindest zeitlich befristet. Er kündigt die Einrichtung von Saufängen an und will die Schonfristen für die Jagd aussetzen.
Neuausrichtung von FAKT angekündigt
Der Minister spricht zahlreiche weitere Themen an. Mit der Dünge-Verordnung ist er „nicht zufrieden“. Wo das Grundwasser in Ordnung ist, sollten nicht dieselben Maßnahmen wie dort gelten, wo das nicht der Fall wäre, meint er. Trotz wenig finanziellen Spielraums will er das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) des Landes nach dem agrarpolitischen Halbwerts-Check der EU neu ausrichten, voraussichtlich 2020. Dabei setzt Hauk auf „flächendeckende, regionale Wertschöpfung, nicht nur auf Bio-Produktion“.
Klare Worte beflügeln die Diskussion
Hauks klare Worte beleben die anschließende Diskussion. Die Teilnehmer des Bauerntages sprechen unter anderem die Wolfsrisse, die neue Dünge-Verordnung, Verbesserungen bei den Wassergrenzstreifen, den Nitrateintrag ins Grundwasser, die Verpflichtung zur Grünlandbewirtschaftung, das Insektensterben und die Schweinepest an.
Allianz für Niederwild
Beim Artenschutz gilt es, den Fokus nicht nur
- auf die Landwirtschaft
zu richten. Zu berücksichtigen sind beispielsweise ebenso
- der Klimawandel,
- die Veränderungen in der Landschaft,
- Besiedelungsmaßnahmen,
- Infrastruktur und
- Bebauung.
Das erklärt René Greiner, Landschaftsökologe beim Landesjagdverband Baden-Württemberg. Er stellt die „Allianz für Niederwild“ vor, die im Februar 2017 vom Landesjagdverband und zahlreichen anderen Verbänden, Behörden und Organisationen gegründet wurde.
Projekt mit Feldhase, Rebhuhn und Fassan
Die Allianz hat zum Ziel, die Lebensbedingungen der Wildtiere zu verbessern. In diesem breiten Bündnis wirken Landwirte, Grundstückseigentümer, Jäger, Naturschützer, Forscher und Behördenvertreter mit. Notwendige Maßnahmen sollen in einem Projekt mit den drei Wildtierarten Feldhase, Rebhuhn und Fassan erforscht werden.
Wohin fährt der Zug?
Wohin fährt der Zug? Diese Frage zur weiteren Entwicklung der Landwirtschaft hatte in seiner Eröffnungsrede Ulrich Hauser, Vorsitzender des Bauernverbandes Enzkreis, gestellt. „Fahren wir längerfristig zweigleisig
- mit integrierter Landwirtschaft und Möglichkeit des chemischen Pflanzenschutzes oder
- reinem Biolandbau mit steigenden Ertragsrisiken“,
fragt sich der Kreisvorsitzende. Also gleichsam
- Versorgungssicherheit auf der einen Seite und
- noch höhere Umweltstandards und größere Unsicherheiten durch Naturereignisse auf der anderen Seite.
Meinungsmache gegen Bauern
Lassen sich politische Entscheidungsträger „von der Meinungsmache von Nichtregierungsorganisationen durch die Manege treiben?“ Hauser erinnert an die Zulassung von Wirkstoffen und die Diskussion um die Anwendung von Glyphosat. Er sieht „keinen sachlichen Grund, der ein totales Anwendungsverbot rechtfertitg“. Einschränkungen in der Anwendung im außerlandwirtschaftlichen Bereich hält er für angebracht.
Ursachen für Insektensterben nicht klar
Hinsichtlich der Entwicklung der Insektenbestände sind die Ursachen „keineswegs klar und eindeutig“. Der Kreisvorsitzende verweist auf
- 40 Millionen Kraftfahrzeuge in Deutschland,
- den Luftverkehr,
- Flächenversiegelung,
- Orientierungslosigkeit der Insekten durch Lichtverschmutzung,
- Klimaveränderungen und
- andere mögliche Ursachen.
Ihm ist wichtig: „Verursacher ist der Mensch, die Bevölkerung insgesamt und nicht nur eine kleine Gruppe“. Hauser versichert: „Auf dieser Basis und wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen sind wir Landwirte bereit zu diskutieren und entsprechende Konsequenzen zu ziehen, wenn diese notwendig sind“.
Autor: hk